José Maria Filho (Zé Maria), einer der führenden Aktivisten in den Gemeinden der Hochebene von Apodi im Nordosten des Bundesstaates Ceará, wurde am 21. April 2010 von bisher Unbekannten mit 19 Schüssen ermordet.
Die Art und Weise dieser Gräueltat deutet darauf hin, dass damit nicht nur er zum Schweigen gebracht werden sollte, sondern dass die Tat als Zeichen für alle, die sich gegen Vertreibung und Ausbeutung und für ein besseres Leben vor allem in den Gemeinden der Chapada do Apodi einsetzen, verstanden werden soll. Zé Maria war ein umtriebiger Anführer des Kampfes gegen die Ausbreitung des Agrobusiness, für den rechtsmäßigen Anspruch auf Landtitel vieler KleinbäuerInnen und vor allem gegen den intensiven Einsatz von Agrarchemikalien.
Zé
Maria auf seiner "terra", August 2008 Foto: Tobias Schmitt |
Auf der Hochebene von Apodi, die als eine der prosperierendsten Regionen der bewässerungsintensiven Obstlandwirtschaft im Nordosten Brasiliens gilt, haben sich seit den 1990er Jahren große nationale und transnationale Unternehmen angesiedelt, um vor allem Bananen, Melonen und Ananas in Monokulturen anzubauen. Die Nähe zum Exporthafen bei Fortaleza, das ebene Gelände, die guten Böden und vor allem der durch die Ableitung des São Francisco Flusses auch in Zukunft gesicherte Zugang zu Wasser innerhalb einer semiariden Region sind wohl die wichtigsten Gründe für die Ausbreitung des Agrobusiness. Dabei wurden viele Ländereien eines ehemaligen staatlichen Bewässerungsprojektes von den Unternehmen unrechtmäßig angeeignet, KleinbäuerInnen ohne eingetragene Landtitel vertrieben und weitere Landstücke mit Hilfe scheinbar lukrativer Kaufangebote erworben. Diejenigen, die nicht in die Städte abgewandert sind, leiden heutzutage vor allem unter dem massiven Einsatz von Agrarchemikalien, die teilweise per Flugzeug über den Monokulturen ausgebracht werden und das Trinkwasser der Gemeinden verseuchen. Drei gestorbene Arbeiter_innen, die für die Unternehmen Agrargifte ausgebracht hatten und eine weit überdurchschnittlich hohe Krebsrate von einer Erkrankung pro 300 BewohnerInnen sind Belege der überaus hohen Belastung, der die Menschen und die Natur ausgesetzt sind.
Zé Maria kämpfte als Präsident der BewohnerInnenvereinigung der Gemeinde São João do Tomé und als Präsident der Vereinigung der enteigneten landlosen KleinbäuerInnen der Chapada do Apodi für die Rechte der Enteigneten und die Eindämmung des Einsatzes von Agrarchemikalien. Einer der Erfolge in seinem Kampf war die Einführung eines Gesetzes zum Verbot der Ausbringung von Agrarchemikalien per Flugzeug, das letztes Jahr von dem Gemeinderat von Limoeiro do Norte verabschiedet wurde, jedoch bis heute zu keiner Verringerung des Chemikalieneinsatzes führte. Als geradezu zynisch kann in diesem Zusammenhang die Aussage des Mitarbeiters eines Agrarunternehmens bezeichnet werden, der in einer E-mail an die Landwirtschftsaufsichtsbehörde des Bundesstaates Ceará ankündigte, aus Rücksicht auf die Familie des Ermordeten in den nächsten Tagen auf die Ausbringung von Agrarchemikalien per Flugzeug verzichten zu wollen.
Die Ermordung eines der wichtigsten Anführers der sozialen Bewegungen in der Region um Limoeiro do Norte hat für Entsetzen, aber auch für Aufruhr und zahlreiche Solidaritätsbekundungen geführt. Bei seiner Beerdigung am 22. April, dem von der UNO ausgerufenen Internationalen Tag der Mutter Erde, kamen hunderte von Freunde und Mitstreiter von Zé Maria zusammen. Sie sind entschlossen, weiter für ein menschenwürdiges Leben und für eine bedingungslose Aufklärung des Mordes an dem Aktivisten zu kämpfen. Ob diese Aufklärung jedoch gewollt und möglich ist, darf bezweifelt werden, da der Abgeordnete Luciano Barreto, der als Hauptverantwortlicher für die Untersuchungen eingesetzt wurde, 2004 zusammen mit zwei Polizisten selber in einen Fall von Einschüchterung und versuchten Mordes verwickelt war, bei dem FischerInnen, die sich gegen die Ausweitung der Shrimpszucht in der Region zur Wehr gesetzt hatten, mundtot gemacht werden sollten.
Zé Maria hinterlässt eine Frau und drei Kinder.