Stand im Juli 2015:
Am 21 Juli 2015 wurde nun
endlich dieses feige Attentat vor einem Geschworenen-Gericht in Uaua,
Bahia, verhandelt. Aufgrund eines Erlasses der Präsidentin, Frau Dilma,
müssen alle liegengeblieben Strafprozesse schnellstmöglich zum Ende
gebracht werden. In diesem Fall sind es 13 Jahre nach dem Attentat. Der
Ausgang ist offen, denn es blieb für die Betroffenen kaum Zeit, um sich
in der nötigen Form auf den Prozess vorzubereiten. In diesem Fall wird
auch internationaler Druck kaum etwas ausrichten.
Es kam auch zu
einem Schuldspruch: Zwei der Angeklagten wurden zu einer Gefängnisstrafe
von 13 1/2 Jahren und einer zu 6 1/2 Jahren verurteilt. der vierte
Angeklagte wurde freigesprochen. Da die Angeklagten sofort Berufung
einlegten, bleibt es abzuwarten, ob sie die Strafen jemals antreten
müssen.
Lesen Sie bitte weiter....
(vor dem Prozess),
Bericht nach dem Prozess.....
Der nachfolgende Fall ist deswegen so von
Interesse. weil das Attentat bis heute noch nicht vor einem
Geschworenengericht verhandelt wurde.
Lesen sie hier den
Bericht, wie sich der Prozess
über 10 Jahre hingezogen hat und immer noch nicht beendet ist!
Brutales Attentat auf 4 Kleinbauern im Munizip
Curaçá, Bahia, Brasilien
Am 14.Juli 2002, gegen 16 Uhr, wurde auf die
Kleinbauern Manoel Gomes de Souza aus dem Dorf Cachaqui, João da Mata de
Jesus Silva aus dem Dorf Lagoa da Tábua und Manoel Messias und Marcos
Roberto aus dem Dorf Cacimba Nova - alle aus dem Munizip Curaçá im
Norden des Bundesstaates Bahia - ein Mordanschlag verübt. Ein
Motorradfahrer schoss auf die Bauern, die auf der offenen Ladefläche
eines Kleintransporters nach Hause fuhren. Zwei von ihnen wurden schwer
verletzt. Bei João da Mata de Silva Jesus mussten eine zerstörte Niere
und ein Teil des zerfetzten Darmes entfernt werden. Er schwebte in
Todesgefahr (mittlerweile ist er operiert und außer Lebensgefahr, muss
aber erneut operiert werden). Der Vorfall ereignete sich auf der
Erdstraße, die die beiden Munizipien Uauá und Curaçá miteinander
verbindet und zwar auf der Höhe der Gemeinde Barriguda. Die Gruppe der
Kleinbauern befand sich auf der Rückkehr von einem Seminar über
Verarbeitung und Vermarktung der Umbufrucht, das von der NGO IRPAA -
PROCUC organisiert worden war.
Hintergrund:
In der semiariden Region Brasiliens, so groß wie
Frankreich und Deutschland zusammen, ist die Tierhaltung die sicherste
Einkommensquelle. Die an Leguminosen (Hülsenfrüchtler) reichen
natürlichen Buschweiden bieten beste Ernährungsmöglichkeiten, vor allem
für Ziegen und Schafe. Auf Grund der klimatischen Bedingungen ist es
dabei wichtig, dass die sich Tiere frei auf den Weideflächen bewegen
können, ohne Behinderung durch Zäune, denn der jährliche Regen ist
sicher. Sowohl in der zeitlichen Abfolge, als auch in der räumlichen
Verteilung ist der Niederschlag aber immer unregelmäßig. So bildete
sich, in einem harmonischen und ökologisch nachhaltigen Einklang
zwischen Natur, Mensch und Weidetierhaltung, das hier "Fundo de Pasto"
genannte Gemeinschaftsweidesystem aus. Alle Tiere einer
Dorfgemeinschaft, nur unterscheidbar durch eine Markierung am Ohr,
weiden gemeinsam in der Caatinga (Buschweide). Bedingt durch die
klimatischen Bedingungen und die begrenzte Bodenfruchtbarkeit, muss
dabei die für jede Familie nötige Weidefläche relativ groß sein. Es sind
in der Region um Juazeiro zwischen 70 und 100 Hektar Weide pro Familie
notwendig.
Im Jahr 1989 - während der kurzen Amtszeit eines
fortschrittlichen Landesgoverneurs im Bundesstaat Bahia, der mit der
aktiven Mobilisierung der Basisbewegung eine Jahrhunderte alte Dominanz
eingesessener Familien unterbrach - konnte in diesem Bundesstaat eine
Landesverfassung (Artikel 178 der Landesverfassung, vom Jahr 1989)
durchgesetzt werden, in der die de facto existierende Gemeinschaftsweide
auch de jure als Form des Landbesitzes anerkannt wurde. Dies ist einzig
für Brasilien. Der Jubel unter den armen Kleintierhaltern war groß. Doch
der baldige Machtwechsel zu Gunsten der alten Familien zeigte, dass
allein der Gesetzestext nicht ausreicht, um der Landbevölkerung ihren
angestammten Landbesitz zu garantieren. Die neue Regierung und alle ihr
folgenden, taten alles, dass die zu Gunsten der Kleintierhalter
begonnenen Grundbucheintragungen gestoppt wurden. Es fehlte plötzlich an
Landvermessern, Fahrzeugen und Verwaltungsbeamten. Viele Anträge aus der
damaligen Zeit liegen bis heute unbearbeitet in den Schubladen der
Landesregierung. Der Mordanschlag gegen die Kleintierhalter,
die ihre Rechte auf die Gemeinschaftsweide fordern, kann als Erstarkung
der dominanten Familien und der ihnen subservierten Politiker gedeutet
werden, die mit Gewalt die Kleintierhalter einschüchtern wollen, damit
diese von ihren Ansprüchen abstehen, das Land räumen und entweder als
billige Tagelöhner für den Landräuber selbst arbeiten oder in ein
Armenviertel der nächsten Großstadt migrieren. Doch die Drohung richtet
sich auch gegen diejenige Organisation, die die Kleintierhalter berät
und ihnen beisteht. Wir sind uns bewusst, welche Konsequenzen dieses
Attentat für die Arbeit des IRPAA haben wird: die Bevölkerung
verwirklicht das Leben und Produzieren im Einklang mit Klima, entdeckt
das wirtschaftliche Potential einheimischer Obstbäume, wie des
Umbubaumes, die ganzjährige Wasserverfügbarkeit durch den Bau von
Zisternen und die plötzlich rentable Ziegen- und Schafhaltung. Dies
alles zeigt den Wert des Landes und die Notwendigkeit, dass in der
gesamten Region die Gemeinschaftsweiden grundbuchmäßig abgeklärt werden
müssen. Dies schafft Unruhe unter den Großgrundbesitzern, die sich nicht
nur als Herren des offenen Landes fühlen, sondern auch der darauf seit
Generationen lebenden Menschen. Die Drohung, die persönlich an einen
Mitarbeiter des IRPAA gerichtet war, ist eindeutig: "Solange nicht so
zwei von euch sterben, werdet ihr keine Ruhe geben."