Die Ausweitung der Zuckerrohrproduktion
in der semiariden Region bringt soziale Probleme und
Umweltbelastungen mit sich
Die
Regierung Lula hat sich ohne jeden Zweifel große Verdienste im
sozialen Bereich erworben. Jedoch liegt sie im Umweltbereich
geradezu Welten zurück. Wenn man sich das Programm zur
Beschleunigung des Wachstums (PAC) ansieht, fühlt man sich ins 19.
Jahrhundert zurückversetzt. Es herrscht genau die Mentalität, die
die Natur einfach als Rohstoffreserve betrachtet, als Grundlage für
Entwicklung und Umsetzung geradezu pharaonischer Projekte, die mit
Feuer und Schwert im Rahmen eines längst überholten Modells
vorangetrieben werden, das nur auf Wachstum setzt, das nur
Großunternehmen begünstigt, Umwelt und Natur zerstört und viel Armut
schafft. Dieses Modell wird weltweit hinterfragt, weil es den
Planeten Erde, das gesamte ökologische System, ins Wanken bringt.
Ungeachtet dieser Bedrohung wird das Wachstumsbeschleunigungsgesetz
ohne jeden Skrupel angeschoben. Der "Dialog" mit der unmittelbar
betroffenen lokalen und regionalen Bevölkerung, mit der
Zivilgesellschaft, war eine Farce. Es herrscht eine durch und durch
autoritäre Logik. Zunächst wird eine Entscheidung getroffen, danach
wird zu einer "öffentlichen Anhörung" eingeladen……. (Leonardo Boff)
Zur Karte: Dies sind die offiziell in Bahia
geplanten Projekte, um Zuckerrohr anzubauen. Alle Projekte im
Einzugsgebiet des São Francisco sollen mit Wasser aus dem Fluss
gespeist werden. Rein rechnerisch reicht das Wasser nicht! Dann
sollen zwischen den Projekten Ausgleichsflächen (Nationalparks)
geschaffen werden, aber ohne Menschen!
Trotz des Engagements ausländischer Gruppen und
der Initiativen der Regierung Lula, dem Zuckersektor einen
gesetzlichen Rahmen zu geben, endete die Zuckerrohrernte 2008/2009
mit einer Reihe von sozialen und Umweltskandalen. "Missachtung der
Arbeiterrechte", "Massive Umweltdegradierung" und "Die Missachtung
der Rechte der Indigenen" sind Überschriften des letzten Berichts
des Zentrums für das Monitoring von Agrotreibstoffen (CMA, Centro de
Monitoramento de Agrocombustíveis) der NRO Repórter Brasil, der am
19. Februar 2010 veröffentlicht wurde. Laut der Nationalen
Gesellschaft für Versorgung (CONAB, Companhia Nacional de
Abastecimento) erreichte die brasilianische Zuckerrohrproduktion mit
612,2 Mio.Tonnen 2009 eine Steigerung von 7,1 % im Vergleich zu
2008.
Das große Problem ist laut CMA, dass die
Ausweitung des Zuckerrohranbaus auf Kosten der Arbeiter und auf
Kosten der Umwelt geht. Eine Analyse der Arbeitsbedingungen im
Zuckerrohrsektor ist aufschlussreich: 2009 wurden 1.911
Sklavenarbeiter nur in den Bundesstaaten Espírito Santo, Minas
Gerais, Goiás, Mato Grosso, Pernambuco und Rio de Janeiro befreit.
Die großen Probleme der Arbeiter sind in einem
zu langen Arbeitstag und in schlechten Bedingungen bzgl. Sicherheit,
Hygiene und Ernährung zu finden. Die Verletzungen der
Arbeitsgesetzgebung umfassen nicht nur kleine Produzenten. Für die
Umwelt, speziell für die Biome Caatinga und Cerrado, kommt der Anbau
von Zuckerrohr einem Totalschaden gleich.