"Im Nordosten mangelt es nicht an
Wasser, sondern an Gerechtigkeit."
(Dieser Bericht hat seine Aktualität nicht
verloren!)
2003
war sicher ein schwieriges Jahr für die semi aride Region. Der
Niederschlag war geringer und noch unregelmäßiger als sonst.
Trotzdem war die Ernte reich an den Orten, wo es die Bevölkerung
gelernt hatte, klimaangepasst zu leben und produzieren. Dies wird
Konviventia mit dem semi-ariden Klima genannt. Da ist zum Beispiel
die Region von Campo Alegre de Lourdes, Bahia, an der Grenze zum
Bundesstaat Piaui. Im Jahr 2003 wurden dort 80 Tonnen Honig
produziert und für 1,60 € pro Liter verkauft. In der Gegend von
Uauá, Canudos und Curaçá, im trockenen Norden des Bundesstaates
Bahia, wurden 30 Tonnen Umbufrüchte (siehe Bild) in Marmelade,
Kompott und Fruchtsaft
verwandelt und in den Städten Feira de Santana und Salvador
verkauft. In der Region Carirí, des Bundesstaates Paraiba, dem
trockensten Flecken der semi-ariden Landschaft, produziert und
verkauft eine Gerbergenossenschaft pro Monat 3.000 Stücke von
Lederhandwerk. Im Bundesstaat Rio Grande do Norte zeigt die Region
von Cabugi, dass es möglich ist, hier auch Milch zu produzieren:
täglich werden 8.000 Liter Ziegenmilch verarbeitet. Und eine
Bauernvereinigung, ebenfalls in der Caatingaregion Bahias, baute
eine Sisalverarbeitungsanlage auf, die 500 direkte Arbeitsplätze
schaffte. Jährlich werden zehntausende Tonnen Teppiche und andere
Sisalprodukte in die USA und nach Europa exportiert. Die
Bundesstaaten Piaui, Ceará und Rio Grande do Norte exportieren
jährlich mehr als 15 tausend Tonnen Carnaúbawachs, im Wert von über
30 Millionen Dollar und geben damit mehr als 200 tausend Menschen
einen Arbeitsplatz. Dies sind nur einige Beispiele unter Dutzenden
anderen, dass das gewaltige Produktionspotential des Biomaß
Caatinga, in aller Begrenzung wie wir es heute kennen, ohne weiteres
ein gutes Lebensauskommen für seine Bevölkerung garantieren kann.
Die oben zitierten Beispiele kamen aber viel mehr als Ergebnis von
privaten Initiativen zu Stande, denn als Frucht einer geplanten
offiziellen Entwicklungspolitik. Ein weiteres Beispiel kommt aus
einem besonders trockenen Gebiet im Zentrum der semi-ariden Region,
mit Böden, die für den Feldbau nicht geeignet sind, aber ein großes
Produktionspotential für Ziegen und Schafhaltung besitzen Auf dieser
38 Millionen Hektar großen Fläche (40 % der semi-ariden Region)
könnten jährlich mehr als 200 tausend Tonnen Fleisch erzeugt werden
und fast 20 Millionen Stück Ziegen und Schafleder, der besten
Qualität. Und das ohne Umweltschäden. Dies würde allein an
Rohmaterialien mehr als 65 Millionen Dollar jährlich einbringen. Die
so hoch gelobten Bewässerungsprojekte, mit ihrem ganzen
Chemieeinsatz, bleiben da weit zurück: der brasilienweite Export
gewinn mit Mangos war im Jahr 2002 geringer als der oben genannte
Betrag und Tischtrauben brachten nur etwa die Hälfte davon.
Die
Wertschätzung der lokalen Produkte ist heutzutage, im Kontext der
Globalisierung die große Strategie, um zugleich das Ökosystem der
Caatinga zu bewahren und den Wohlstand der Bevölkerung zu
garantieren, die in ihr leben und von ihr abhängen. Spezielle
Produkte aus der Caatinga, mit ihrer territorialen und kulturellen
Identität, unterscheidbar von denen aus anderen Regionen, stellen
ein großes wirtschaftliches Potential dar. Die Produkte aus der
Caatinga besitzen ihren besonderen Geschmack, Geruch und Aussehen.
In Zukunft soll es Markenzeichen geben, wie z.B. Umbusaft aus Uauá,
Ziegenkäse aus Carirí, Caatingahonig aus Campo Alegre de Lourdes
oder Sonnenfleisch (Carne de Sol) aus Seridó. Es bedarf einfach nur
ein wenig mehr Anstrengung, um zu verstehen welches Potential uns
mit dem Caatinga Ökosystem gegeben ist, aber auch vom lokalen Wissen
zu lernen und es anzuerkennen.
Wir können nicht so weitermachen, das Ökosystem
ändern zu wollen, um exogene Pseudolösungen aufzuzwingen. Die wahren
Lösungen finden sich hier, genau vor uns, im Ökosystem der Caatinga.
Auszug aus einem Artikel von Dr. Clovis
Guimarães Filho, Mitarbeiter in Ruhestand des Forschungszentrums
EMBRAPA, und Berater für Ziegen und Schafzucht.